Windkraftpotenziale in Vorarlberg
Der nächste Schritt zur Energiewende
„Wollen wir die Energiewende meistern, müssen wir alle vorhandenen erneuerbaren Ressourcen nutzen, die die Natur uns bietet“, erklären Landeshauptmann Markus Wallner und Energielandesrat Daniel Zadra beim Pressefoyer im April 2023. „Dazu zählt selbstverständlich auch der Wind.“ Doch mit der Gewinnung von Windenergie hat das Land Vorarlberg vergleichsweise wenig Erfahrung. „Daher haben wir im letzten Jahr auf Ersuchen des Landtags eine runderneuerte Windpotenzialanalyse erstellen lassen, damit wir überhaupt einmal einschätzen können, in welchen Regionen und Landstrichen der Wind stark genug und beständig genug bläst, um die Errichtung von Windrädern zu rechtfertigen“, ergänzen Wallner und Zadra. Nun liegen die Ergebnisse dieser Untersuchung, durchgeführt von der Energiewerkstatt, einem technischen Büro aus Oberösterreich, vor.
112,7 Quadratkilometer.
So groß ist das Areal in Vorarlberg, das als potenzielle Windenergiefläche ermittelt wurde. Das entspricht 4,3 Prozent Gesamtfläche des Landes. „Dieser Einschätzung liegen aber lediglich technische und topografische Kriterien wie durchschnittliche Windstärke, Hangneigung oder Beschaffenheit des Untergrunds zugrunde“, betonen Wallner und Zadra. „Andere bedeutende Faktoren wie Natur- und Landschaftsschutz, Besiedelung, Schallemissionen, Vorgaben der Raumordnung oder Eisfallgefährdung waren nicht Gegenstand der Studie.“
Regionen mit Potenzial
Die ermittelten Potenzialflächen in Vorarlberg lassen sich in sechs Regionen gliedern:
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Pfänderrücken
Der Pfänderrücken ist eine der für die Windenergienutzung am besten geeigneten Regionen. Die ermittelte Leistungsdichte des Windes beträgt 200 bis 300 W/m², womit der wirtschaftliche Betrieb eines Windparks möglich sein sollte. Das weiter westlich gelegene, flache Gelände bei Hörbranz ist zwar potenziell ebenfalls geeignet, weist jedoch nicht ganz so günstige Windbedingungen auf; Ähnliches gilt für die weiter östlich ausgewiesenen Potenzialflächen zwischen Langen und Thal. -
Bregenzerwald
In den westlichen Teilen des Bregenzerwaldes ergab sich mit bis zu 350 W/m² mit das beste Windangebot Vorarlbergs. Die steilen und schroffen Gebirgsformen im Zentralalpenbereich erschweren allerdings die Situation; rein topografisch betrachtet, würden sich die nördlichen Hänge und Hügel des Bregenzerwaldes ausgezeichnet für die Nutzung von Windenergie eignen, jedoch sind die ermittelten Windgeschwindigkeiten hier bereits deutlich geringer. Kleinere Potenzialflächen existieren außerdem rund um den Nob und den Hohen Freschen im südlichen Bregenzerwald. Die im Rheintal beim Flugplatz Hohenems ausgewiesene Potenzialfläche umfasst zwar ein großes, zusammenhängendes Areal, bietet aber mit einer berechneten Wind-Leistungsdichte von etwa 170 W/m² nur schwache Werte. -
Allgäuer Alpen
In den Allgäuer Alpen ist das Windangebot laut Windatlas weniger ausgeprägt als am Pfänderrücken und im Bregenzerwald, flächenmäßig findet sich aber hier ein großer Teil der in Vorarlberg ermittelten Potenzialflächen für die Windenergienutzung. Die größten Potenziale liegen rund um den Hohen Ifen. Die eher hügeligen als bergigen Landschaftsformen in diesem Teil Vorarlbergs bieten grundsätzlich günstige Rahmenbedingungen für die Windenergienutzung. -
Lechtaler Alpen
Aufgrund des überwiegend hochalpinen Charakters der Region und den damit verbundenen Hangneigungen sind die Windpotenzialflächen eher kleinräumig. Die verbliebenen Areale zeigen laut Vorarlberger Windatlas ein nur mäßiges Windangebot bis zu 200 W/m². Die Errichtung von Windkraftanlagen wäre hier zweifellos ein anspruchsvolles Unterfangen, jedoch könnten möglicherweise die Straßen- und Netzinfrastrukturen der Wintersportgebiete genutzt werden. -
Rätikon-Silvretta
Ähnlich wie in den Lechtaler Alpen eignen sich auch hier nur wenige, kleinräumige Areale für die Windkraftnutzung, größtenteils in den höher gelegenen Gebieten. -
Region Feldkirch
Auch in der Region Feldkirch werden einige potenzielle Windenergieflächen ausgewiesen, deren größte südlich von Feldkirch im Rheintal; hinzu kommen einige kleinere Areale im Walgau. Letztere sind nach den Ergebnissen des Vorarlberger Windatlas von einem nur mäßigen Windangebot im Bereich von bis zu 200 W/m² charakterisiert.
„Noch einmal: In den nun angesprochenen Regionen könnte man Windkraftanlagen bauen, die nach technischen und topografischen Gesichtspunkten vermutlich auch rentabel wären“, erklären Wallner und Zadra. „Das bedeutet aber nicht, dass schon morgen die ersten Windräder aufgestellt werden. Denn uns allen ist bewusst, dass Windkraftnutzung ein sensibles Thema im Lande ist. Daher wollen wir die Frage nach den letztendlich am besten geeigneten Gebieten im Dialog mit der Bevölkerung, in Ruhe und unter Abwägung aller Interessen führen. Gleichzeitig wissen wir, dass wir für das Erreichen unseres Ziels der Energieautonomie jede Kilowattstunde erneuerbarer Energie benötigen und wir daher auch der Windenergie eine faire Chance geben müssen.“
Rechtlicher Rahmen für Windkraftanlagen
Die im März dieses Jahres beschlossene Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) sieht unter anderem beschleunigte Verfahren für sogenannte „Vorhaben der Energiewende“ vor. Darunter fallen auch Windkraftanlagen. Sie sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne aktuelle, im Einklang mit den Ausbauzielen des § 4 Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) stehende planungsrechtliche Festlegung und Zonierung genehmigt werden können.
Gemäß der UVP-G-Novelle sollen Windkraftanlagen vorrangig auf den in einem Bundesland dafür planungsrechtlich bestimmten Flächen im Einklang mit einer aktuellen überörtlichen Windenergieraumplanung geplant und errichtet werden. Liegt eine aktuelle Windenergieraumplanung auf Landesebene vor, aber gibt es auf der örtlichen Ebene noch keine erforderliche Konkretisierung (Flächenwidmung), so kann auch ohne dies Konkretisierung ein Vorhaben in einer Vorrangs- bzw. Eignungszone genehmigt, errichtet und betrieben werden, sofern die näheren Vorschreibungen zum Schutz der Rechte Dritter und der öffentlichen Interessen gewahrt werden und den zwingenden Vorschriften des Unionsrechts nicht widersprochen wird. Fehlen eine aktuelle Windenergieraumplanung auf Landesebene und die erforderliche Konkretisierung auf örtlicher Ebene (Flächenwidmung), so besteht die Möglichkeit der Durchführung eines UVP-Verfahrens, sofern die betroffene Standortgemeinde dem Vorhaben zustimmt. Die Zustimmung der Gemeinde ist in jedem Fall erforderlich. Ob der Standort umweltverträglich ist, ist im Genehmigungsverfahren zu prüfen.
Hintergrund
Der Vorarlberger Landtag hat in seiner Sitzung am 7. Juli 2022 die Entschließung gefasst, das Windkraftpotenzial Vorarlbergs erheben zu lassen (LTD 22.01.286). Die Vorarlberger Landesregierung wurde daraufhin ersucht, die aus dem Jahr 2003 stammende Studie „Das Windkraftpotential Vorarlbergs“ auf deren Aktualität hin zu überprüfen und nötigenfalls weitere Untersuchungen, gerade auch hinsichtlich der Standortfrage möglicher Windkraftwerke, durchzuführen. Das erklärte Ziel war es, eine fundierte Faktenlage zur Nutzung der Windenergie in Vorarlberg zu schaffen.
Methodik der Studie
Für die Erstellung des Vorarlberger Windatlas wurde ein weit über die Grenzen des Landes hinausreichenden Gebiet modelliert, das über 200 Messungen aus Österreich, Deutschland, Italien, und der Schweiz beinhaltet. Es wurden unter anderem Daten vom Pfänder, von alpinen Lawinenmessstationen oder Messdaten des Schweizerischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung integriert.
Aus diesen Informationen wurden insgesamt zwölf Karten der Windmodellierung erstellt, und zwar für je vier Parameter (Windgeschwindigkeit, Leistungsdichte, Wahrscheinlichkeitsverteilung der Windgeschwindigkeit, ausgedrückt durch die Parameter Weibull a und k) in drei verschiedenen Höhen über Grund (80 m, 100 m und 130 m). Die Modellierung erfolgte in einem numerischen Gitter mit einer horizontalen Auflösung von 100 m.
Diese Karten werden auf der Homepage des Landes Vorarlberg veröffentlicht und im Laufe des Sommers auch als Kartendienst in den neuen Vorarlberg Atlas aufgenommen. Als Kriterium für die Identifizierung von Potenzialflächen dient neben der Topografie (Hangneigung nicht stärker als 15 ° auf einem Areal von wenigstens 10 ha, keine Wasserflächen und Vergletscherungen) die Leistungsdichte des Windes. Sie entspricht dem Energiefluss des Windes, wird in Watt pro Quadratmeter (W/m2) angegeben und gilt als die am besten geeignete Größe für die Bewertung des Windenergiepotenzials eines Standorts. Für die Ermittlung der Potenzialflächen wurde eine Mindestleistungsdichte des Windes von 150 W/m² auf einer Referenzhöhe von 100 m über Grund angenommen. Dieses Kriterium entspricht, je nach Form der Windgeschwindigkeitsverteilung, einer mittleren Windgeschwindigkeit von etwa 4,5 m/s bis 5 m/s.
Diese Festlegung beinhaltet aber keine Aussage über die Wirtschaftlichkeit eventueller Windenergieprojekte, die von einer Vielzahl individuellen Einflussfaktoren abhängt. Eine pauschale Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Windenergieprojekten allein nach dem Kriterium der Wind-Leistungsdichte ist nicht möglich.