20. Juli 2018
„Wir fühlen uns in der Rolle als Pioniere sehr wohl“
101 Tage im Amt: Energielandesrat Christian Gantner zieht ein erstes Fazit. Er ist überzeugt: Die Ziele der Energieautonomie sind nicht nur machbar, sondern alternativlos. Und trotzdem: Noch viel Arbeit liege vor uns.
Sie sind – angelehnt an die 101 enkeltauglichen Maßnahmen – seit 101 Tagen in Ihrer neuen Funktion als Landesrat unter anderem auch für die Energieautonomie Vorarlberg zuständig. Wie fällt Ihr erstes Resümee als Energielandesrat aus?
Landesrat Christian Gantner: Die Energieautonomie war ein richtungsweisender Beschluss. Es freut mich, dass das Ziel 2009 mit einem einstimmigen Landtagsbeschluss untermauert wurde. Das zeigt, dass alle Parteien an einem Strang ziehen. Auch deshalb, weil das Ziel nicht von oben verordnet wurde, sondern ein aus der Basis gewachsener Prozess ist. Ich bin überzeugt, dass nur solche Prozesse langfristig erfolgreich sein können. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir – trotz der dynamischen gesellschaftlichen Entwicklung – auf gutem Weg sind. Wir sind im Bereich CO2-Reduktion auf Zielpfad, beim Ausbau erneuerbarer Energieträger besser als erwartet – und auch im Gebäudebereich gibt es sehr positive Entwicklungen. Wir wissen aber auch, wo es noch Probleme gibt. Hier gilt es weiter an den notwendigen Schrauben zu drehen. Gemeinsam mit den wichtigen Partnern, etwa dem Energieinstitut Vorarlberg und den Gemeinden. Es wurde schon viel erreicht – aber es gibt auch noch viel zu tun.
Die Herausforderungen bleiben groß – allen voran im Mobilitätsbereich. Wie kann man die Menschen aus Ihrer Sicht zum Umdenken bewegen?
Gantner: Ich bin der Meinung, dass wir sehr attraktive Modelle ausgearbeitet haben. Der Ausbau der Fahrradwege schreitet sehr gut voran, das Jahresticket im ÖPNV wird sehr gut angenommen. Ich bin froh, dass wir hier sehr gut und eng mit Landesrat Johannes Rauch zusammenarbeiten. Auch die illwerke vkw sind ein wichtiger Partner im Mobilitätsbereich – man denke an den Ausbau der Elektromobilität. Wir haben vorarlbergweit 1.500 Elektrofahrzeuge auf den Straßen und sind hier österreichweit Spitzenreiter – diese Position wollen wir weiter ausbauen.
Das Pariser Klimaabkommen war ein Meilenstein der Klimapolitik. Nach dem Ausstieg der USA und den damit verbundenen Konsequenzen: Was antwortet man jenen Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern, die die Frage stellen, was es für einen Sinn macht, als kleines Land Anstrengungen zu unternehmen – während sich die großen Klimasünder aus der Verantwortung stehlen?
Gantner: Wir gehen mit gutem Beispiel voraus. Es braucht Pioniere und in dieser Rolle fühlen wir uns wohl. Das soll auch der Anspruch der Politik sein. Es kommen viele Gruppen aus anderen Ländern nach Vorarlberg und schauen sich vor Ort an, wie das ein kleines Land wie Vorarlberg macht. Wir sind also bereits heute für viele Vorbild. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, bereits unsere Kinder für diese Sache zu gewinnen. Mein Ziel ist es, an jedem Küchentisch einen kleinen Energiebotschafter sitzen zu haben.
Wird den Themen Energie und Klimastrategie international jene Bedeutung zuteil, die sie aufgrund ihrer Dimension für die Zukunft auch haben sollten?
Gantner: Wenn man sich nationale und internationale Beschlüsse ansieht, dann habe ich schon das Gefühl, dass das Thema Klimaschutz von der Politik ernst genommen wird. Die Vorgaben der Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung sind sehr ambitioniert. Klar ist aber auch, dass Themen wie Sicherheit und Asyl andere wichtige Themen aktuell in den Schatten stellen. Es ist Aufgabe der Politik, darauf zu achten, dass das Thema Klimaschutz trotzdem an der Oberfläche bleibt – und nicht erst durch Katastrophen wie jene in Fukushima wieder in den Köpfen der Menschen präsent wird.
Nimmt man das Pariser Klimaabkommen ernst, braucht es für die Periode 2020 bis 2030 eine deutliche Verschärfung der Ziele. Wie stehen Sie dazu?
Gantner: Ich glaube es braucht keine Verschärfung der Ziele, sondern der Maßnahmen. Man muss die Stellschrauben anziehen. Wir stehen mit der Energieautonomie im Einklang mit den Pariser Zielen und davon rücken wir nicht ab.
Auch der Bund hat mit der integrierten Klima- und Energiestrategie neue Akzente gesetzt – und sieht unter anderem einen vollständigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern im Neubau vor. Ein guter Ansatz?
Gantner: Absolut. Wir gehen hier als Land auch als gutes Beispiel voran. Mein Ziel ist es, dass wir in den kommenden fünf Jahren in Landesgebäuden und somit im unmittelbaren Einflussbereich keine Ölheizung mehr betreiben. Auf privater Ebene muss das sozialverträglich geregelt werden. Das heißt: Hier wird es zusätzliche Förderprogramme benötigen.
Der Klimawandel und die damit einhergehenden Konsequenzen nehmen Einfluss auf unser aller Alltag und Leben. Wie nimmt man diesen Umstand als Landwirt wahr?
Gantner: Etwa durch die Zunahme der Häufigkeit von Extremereignissen. Selbst in Vorarlberg erkennen wir extreme Wetterkapriolen und Dürre – beispielsweise aktuell im Walgau. Die Landwirtschaft ist ein Wirtschaftsbereich, der von der Natur nicht losgelöst betrachtet werden kann. Die Produktionsflächen sind unter freiem Himmel, die Landwirtschaft spürt entsprechende Beeinträchtigungen also als erstes. Ein Grund mehr, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Der erste große Zwischenschritt der Energieautonomie, die Periode bis 2020, neigt sich langsam dem Ende. Was muss in der nächsten Etappe angegangen werden, um das Ziel weiter voranzutreiben?
Gantner: Wir haben eine Studie an der FH Vorarlberg in Zusammenarbeit mit dem Energieinstitut Vorarlberg in Auftrag gegeben. Hier sollen bis 2030 die Ziele für die einzelnen Sektoren ermittelt und ausgearbeitet werden. Daraus werden im Anschluss neue Maßnahmen abgeleitet. Die Gesamtziele der Energieautonomie sind Basis für diese Studie.
Nach den ersten Erfahrungswerten der vergangenen Jahre: Ist das gesteckte Ziel, den Energiebedarf in Vorarlberg bis 2050 vollständig mit erneuerbaren Energien abzudecken, aus Ihrer Sicht machbar?
Gantner: Natürlich. Die Ziele sind ambitioniert, machbar und alternativlos! Ich bin Vater von drei Kindern und möchte diesen einen möglichst gesunden Lebensraum hinterlassen – nicht umsonst sprechen wir von enkeltauglichen Maßnahmen. Das Problem ist nur, wir werden das nicht allein mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen. Das größte Kraftwerk, das wir in Betrieb nehmen können, ist das Kraftwerk des Energiesparens. Daran gilt es weiter zu arbeiten.
Wenn Sie einen Wunsch hinsichtlich des Vorankommens der Energieautonomie 2050 frei hätten – was würde sich in den nächsten Jahren ändern?
Gantner: Ich wünsche mir, dass wir es weiterhin schaffen, mit motivierten Bürgerinnen und Bürgern, Gemeinden und Unternehmen gemeinsam weiter voranzukommen. Wir müssen die Dringlichkeit des Handelns in den Köpfen der Menschen verankern. Der Punkt ist nämlich: Wir sind nicht gegen etwas, wir sind für etwas – für eine lebenswerte Zukunft. Gibt es etwas schöneres?